Öm de Uestere jöhnt sich die Faaste uus

Wenn in der Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai eine Schar junger Männer durch die Straßen Scherbergs zieht, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Scherberger Maijungen. In der sogenannten „Mainacht“ ziehen jene durch das Stadtviertel, um die unverheirateten jungen Frauen mit dem Mailied auszurufen.

Der Text des Mailiedes, das ursprünglich aus vier verschiedenen Elementen zusammengesetzt wurde, ist für den ein oder anderen, der den Maijungen in jener Nacht begegnet und der ihnen beim Singen zuhört, manchmal nicht so einfach zu verstehen. Hierfür gibt es einige Erklärungsansätze: Zum einen wird das Lied zu weiten Teilen in Wöschelter Mundart, spricht Platt gesungen. Dies ist für viele heutzutage ohnehin schon schwer zu verstehen, weil in immer weniger Haushalten Platt gesprochen wird. Zum anderen unterliegt die Sangesqualität der Maijungen von Jahr zu Jahr auch gewissen Schwankungen und mit fortgeschrittener Stunde leidet die Reinheit der Sprache und des „Gesangs“ der Maijungen auch unter dem Konsum des ein oder anderen Bierchens, was oftmals dazu führt, dass die Qualität des Gesangs deutlich unter dessen Lautstärke liegt.

Im ersten Element dieses Liedes, das in ähnlicher Form von allen Würselener Jungenspielen gesungen wird, heißt es:

Öm de Uestere jöhnt sich die Faaste uus
und dann längen sich die Tage.
Und dann kommt sich der Mai, der geliebte Kohlemai,
und dann kommt er sich heran-gegangen.

In meines Vaters Garten, da steht ein Lindenbaum.
Dieser Baum und der war grüne.
Auf dem Baume da saß sich eine graue Nachtigall,
und sie sang uns von der Lieb‘ – so schöne.

Interessant im ersten Element ist insbesondere der Vers, in dem es heißt „und dann kommt sich der Mai, der geliebte Kohlemai“, denn der Ausdruck „Kohlemai“, ist so im Sprachgebrauch nicht üblich.

Was hat es also damit auf sich?

Einige sind der Überzeugung, dass der Kohlemai im Zusammenhang mit der Kohle stehen, die über Jahrhunderte eine große Rolle im Wurmtal und in Würselen gespielt hat. Andere glauben, dass dieser Teil in Verbindung mit Köhlerei und den Köhlern stünde, da jene früher in Würselen und Umgebung in den dichten Laubwäldern häufig anzutreffen gewesen seien.

Vergleicht man jedoch den Ursprungstext des Mailiedes, einem fünfzehnstrophigen Mailehnlied, aus dem sich das heutige Mailied ableitet, heißt es: „… onn planz‘ dynne Mei, dynne Koulle-Mei …“.

In der alten Fassung ist mitnichten vom Monat Mai selbst die Rede, sondern vielmehr vom Maibuschen, den man am Haus des Mädchens anbrachte. Schaut man nämlich auf die mögliche Wortverwandtschaft des Wortes „Koulle“ mit der des mundartlichen „Kuell“ für Stock und noch weiter zurück mit dem lateinischen Wort „caulis“, das übersetzt ebenfalls Stiel, Stock (oder auch Kohl) bedeutet, kommt man eher zum Schluss, dass es sich beim „Kohlemai“ um einen Stock Maigrün, genauer um einen Maibuschen handeln muss.

Aber trotz diesem kleinen „Übersetzungsfehler“ ist es dennoch schön, dass in jeder Mainacht traditionell dieses Lied in den Straßen Würselens und Scherbergs zu hören ist.

Christoph Schirmel

Quellen:
Kurt Michels: Die Würselener Jungenspiele (1980, Kölling)