Der Maiknecht – Ein Blick in die Sprachgeschichte

In der Rangordnung des Scherberger Jungenspiels steht der Maiknecht gleich hinter dem Maikönig. Im Rahmen der jährlichen Neuwahlen wird er, wie auch der Rest der männlichen Spielspitze, auf der Maijungenversammlung gewählt. Als Begleiter und Stellvertreter des Maikönigs erfüllt er einen Großteil von dessen Aufgaben und unterstützt ihn stets tatkräftig bei der Koordination der Maijungen und der Organisation des Maiballs und der Kirmes.

Betrachtet man die Etymologie des Wortes erscheint es ein wenig widersprüchlich, dass der Maiknecht als „Knecht“ bezeichnet wird. Denn das Wort Knecht leitet sich vom altdeutschen Wort „kneht“ ab, das im achten Jahrhundert einen Diener, Untergebenen, Unfreien oder Unterdrückten bezeichnete. Im Mittelalter waren Knechte Landarbeiter, die entweder durch lehensrechtliche Bindung oder durch Lohnabhängigkeit die Stellung eines Untergebenen innehatten. Die Aufgaben eines Knechtes waren ausschließlich körperlich: Als Landarbeiter musste er – unabhängig von Wetter, Jahreszeit, Hofgröße und Wirtschaftsform – harte Arbeit auf dem Feld und dem Hof leisten. Im Unterschied zur Sklaverei waren Knechte allerdings in der menschlichen Würde durch die Gleichheit vor Gott ihren Herren gleichgestellt und sie konnten durch Heirat oder Erbschaft in die Position des Bauern aufsteigen. Faktisch wich die Lebenswirklichkeit jedoch meist vom christlichen Gleichheitsgedanken ab. Nicht umsonst bezeichnete der Begriff „Knechtschaft“ seit der Bibelübersetzung durch Luther im 16. Jahrhundert einen Zustand der Rechtslosigkeit und Ausbeutung.

Wie kann nun ein solcher Begriff die Bezeichnung für den Stellvertreter des Maikönigs angemessen sein?

Hierfür ist es hilfreich, den sprachgeschichtlichen Hintergrund des Wortes genauer zu betrachten, denn das Wort „kneht“ war im frühen Mittelalter auch die mittelhochdeutsche und angelsächsische Bezeichnung für einen Knaben, Jüngling oder auch einen jungen Mann in lernender und dienender Stellung. Dies wird am verwandten englischen Wort „knight“ (deutsch: Ritter) deutlich. Jenes erhielt etwa im Laufe der Zeit in der englischen Sprache eine deutliche Aufwertung, denn ein Ritter ist auch heutzutage noch ein Herr von vornehmem Stand, der für die Wertevorstellung der Ritterlichkeit steht: Demut, Freundlichkeit, Treue und Tapferkeit. Auch im deutschen Sprachgebrauch war der Knecht militärgeschichtlich stets ein neutraler Gegensatz zum Ritter. Im Kriegswesen kannte man Fußknechte und Waffenknechte als unverzichtbare Soldaten. Damals austauschbar und in engster Verwandtschaft stehen die Begriffe „Knappe“ und „Knecht“, die beide einen – oft aus dem Adel stammenden – Jungen bezeichnete, der bei einem Ritter in der Lehre stand.

Auch der Begriff des Maiknechts entstammt also der Herkunft des frühmittelalterlichen „kneht“ und ihm gebührt Ruhm und Ehre im Jungenspiel.

Selbst optisch erkennt man bestens, dass der Maiknecht seinem Stand gerecht wird: Im Festumzug trägt der Maiknecht einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und Fliege. Mit dabei hat er einen Zylinder, der allerdings in weiß-behandschuhten Händen und nicht auf dem Kopf getragen wird. Vervollständigt wird sein Outfit mit einer silberverbrämten Schärpe und silbernem Eichenlaub am Revers. Begleitet wird er von seiner Maimagd (rechts) und einer Ehrendame (links).

Eines darf natürlich nicht vergessen werden: Dass der Maiknecht über das gesamte Kirmesjahr durch sein großes Engagement, die Freude am Brauchtum und hohen Arbeitseinsatz einen großen Teil dazu beiträgt, dass die Kirmes gelingt und dass uns dieses Brauchtum auch in Zukunft noch lange erhalten bleibt.

Christoph Schirmel

Quellen:
Kurt Michels – Die Würselener Jungenspiele: Maibrauchtum in einer rheinischen Stadt (Kölling, 1980)
OpenThesaurus-Informationen für „Knecht“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache